Ein Schmetterling am Ostseestrand:
Köslin und Pommern im 20. Jahrhundert
Feste Koordinaten in einem Europa des Wandels
Von der preußischen Provinz Pommern der Jahre 1815 bis 1933
über den Gau Pommern von 1933 bis 1945
zu den Woiwodschaften Westpommern, korrekt: Hinterpommern, und
Pommern, korrekt: Pommerellen/Westpreußen
sowie
über die in der DDR verheimlichte Region Vorpommern von 1949 bis 1989
zu dem Gebiet des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern seit 1990
Historische Deutschland-Karte
Ockerfarbene Gebiete ab 1918,
annektiert oder abgetreten als Folge des Diktatvertrages von Versailles:
Nordschleswig – von 1867 bis 1920 zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein gehörend, seitdem beim Königreich Dänemark
Danzig – bis 1919 Hauptstadt der preußischen Provinz Westpreußen, am 15.11.1920 ohne Volksabstimmung zu dem unabhängigen Staat Freie Stadt Danzig im „Polnischen Korridor zur Ostsee“ unter Aufsicht des Völkerbundes erklärt, von 1939 bis 1945 Reichsgau Danzig-Westpreußen, seit 1989 Bestandteil der polnischen Dritten Republik, Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern (korrekter: Pommerellen)
Grenzmark Posen-Westpreußen – mit der Hauptstadt Schneidemühl, aus Teilen der im Deutschen Reich verbliebenen gleichnamigen Provinzen gebildet; bestand von 1922 bis zur Auflösung 1938; danach neben Stettin und Köslin dritter pommerscher Regierungsbezirk
Westpreußen – Provinz Preußens mit der Hauptstadt Danzig; 1919 große Gebiete an Polen, der westliche Teil an Ostpreußen und die Grenzmark sowie die Weichselmündung an den Freistaat Danzig gefallen; "das Pulverfaß Europas" (Viscont d'Abernon, britischer Botschafter in Berlin)
Memelgebiet – seit 1773 Teil der preußischen Provinz Ostpreußen; am 09./10. Januar 1920 in einem Vertrag mit den Alliierten des Ersten Weltkrieges der Verwaltung durch den Völkerbund unterstellt; 1923 von Litauen annektiert; dieses am 8. Mai 1924 vom Völkerbund anerkannt und der Souveränität von Litauen unterstellt; am 22.März 1939 dem Deutschen Reich zurückgegeben; während der Schlacht um Ostpreußen (13. Januar bis 25. April 1945) von der Roten Armee erobert, danach bis zur Erklärung der Litauischen Unabhängigkeit 1990 in die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik integriert
Ostoberschlesien – am 20.6.1922 nach einer Volksabstimmung und vorhergegangenen Aufständen vom Deutschen Reich an die Zweite Polnische Republik abgetreten
Hultschiner Ländchen – seit dem Frieden von Berlin zwischen Preußen und Österreich am 28.07.1742 Teil des Landkreises Ratibor um die Stadt Hultschin in der nun preußischen Provinz Schlesien, gelegen an der mährisch-schlesischen Grenze; durch den Diktatvertrag von Versailles am 10.01.1920 zur Tschechoslowakei gekommen, obwohl sich bei einer Volksbefragung 93,7 Prozent der Stimmberechtigten für einen Verbleib bei Schlesien ausgesprochen hatten; für das Abtretungsgebiet entstand die Bezeichnung Hultschiner Ländchen mit Hultschin als Kreisstadt; das Gebiet wurde am 14. April 1939 infolge des Münchener Abkommens von 1938 wieder in den Landkreis Ratibor eingegliedert, nachdem es seit dem 21. November 1938 zunächst dem Sudetendeutschen Gebieten angehört hatte; 1945 wieder zur Tschechoslowakei und erneut Kreisstadt.
Elsaß-Lothringen – von 1871 bis 1918 Verwaltungsgebiet des Deutschen Reiches, Landeshauptstadt Straßburg; unterstand unmittelbar dem Deutschen Kaiser; heute bei Frankreich mit Champagne Ardenne in der Region Grand-Est; ab 1. Januar 2021 wieder eigene Gebietskörperschaft Elsaß.
Eupen-Malmedy, mit Neutral-Moresnet – genauer: die drei seinerzeit mehrheitlich deutschsprachigen belgischen Ostkantone Eupen-Malmedy-St. Vith; 1815 während des Wiener Kongresses der Rheinprovinz Preußens zugeordnet; bis 1918 bei Preußen, seit 1920 bei Belgien; Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) in den neun Gemeinden um Eupen und St. Vith
Saargebiet – von 1920 bis 1935 vom Deutschen Reich abgetrennt
Saarland – ab dem 1. März 1935 wieder uneingeschränkt Teil des Deutschen Reiches; eigene Regierung und Verfassung seit dem 8. November 1947, formell autonomes Staatsgebilde; nach der Volksabstimmung 1955 politischer Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland 1957; wirtschaftlicher Anschluß durch die Übernahme der D-Mark am 6.Juli 1959
Blaue und fliederfarbene Gebiete ab 1945:
Ostpreußen – von 1878 bis 1945 die östlichste preußische Provinz, zwischen 1920 und 1939 durch den „Polnischen Korridor“ zur Ostsee vom übrigen Deutschland territorial getrennt; 1945 nördlicher Teil unter sowjetischer und südlicher Teil unter polnischer Verwaltung; seit 1990 der nördliche Teil zu Rußland bzw. der südliche Teil zu Polen gehörend
Ostbrandenburg / Neumark / Lebuser Land - östlich der Oder und Lausitzer Neiße liegender Teil der ehemals preußischen Provinz Brandenburg; größerer Teil zur Woiwodschaft Lebus, kleinerer Teil zur Woiwodschaft Westpommern gehörend
Sudetenland - im Münchener Abkommen Ende September 1938 gegen den Willen der tschechoslowakischen Regierung als Ergebnis britisch-französischer Beschwichtigungspolitik dem Deutschen Reich zugesprochenes Gebiet; bis 1945 Reichsgau, danach wieder zur Tschechoslowakei gehörend
Schlesien – von 1742 bis 1945 fast ganz preußische Provinz, aufgeteilt in Ober- und Niederschlesien; ab dann bis auf die an die Tschechoslowakei abgetretenen Gebiete unter polnischer Verwaltung; heute Teil der polnischen Dritten Republik
Wo ich hab leben wollen, wo ich hab sterben sollen, da bin ich nicht mehr.
Rita von Gaudecker (* 1879 in Molstow, Hinterpommern - + 1968 in Ehingen, Donau)
Vorpommern - Hinterpommern - Pommerland
Das heutige Pommern umfaßt die im Nordosten Deutschlands und Nordwesten Polens direkt an der Ostsee gelegene Region der historischen preußischen Provinz, die seit dem Wiener Kongreß im Jahre 1815 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bestand. Sie enthält das westlich der Oder gelegene Vorpommern, heute zu finden in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, sowie das östlich der Oder liegende Hinterpommern in den heutigen polnischen Woiwodschaften Westpommern und Pommern.
Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, wird unter Vorpommern der damals schwedische Teil Pommerns und unter Hinterpommern der brandenburgische Teil verstanden.
Nach der mit Gewalt erfolgten Abtrennung des mittleren und östlichen Gebietes Pommerns, also Hinterpommern, zugunsten Polens unter nahezu vollständiger Auswechslung der Bevölkerung verschwand das in Mitteldeutschland verbliebene Vorpommern gewollt spurlos in den DDR-Bezirken Rostock, Neubrandenburg und Frankfurt/Oder.
Obwohl sie im ursprünglichen Vorpommern liegen, gehören Stettin, also die frühere Provinzhauptstadt Pommerns, mit dem westlich von ihr gelegenen „Stettiner Zipfel“, der östlichste Bereich der Insel Usedom - eine absurde Grenzziehung - mit der Stadt Swinemünde und die Insel Wollin – willkürlichen sowjetischen und polnischen Maßnahmen während der Errichtung der Oder-Neiße-Linie in der Zeit zwischen 1945 und 1951 folgend – als Landkreis Policki heute zur polnischen Woiwodschaft Westpommern. Dieser "Stettiner Zipfel" grenzt im Norden an das Stettiner Große Haff, im Westen an den deutschen Landkreis Vorpommern-Greifswald, im Süden an den Ort Pargow und im Osten an die Stadt Stettin sowie die Oder bei Pölitz.
Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wurde 1990 das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit verändertem Gebietszuschnitt neu konstituiert.
Im Zwei-plus-Vier-Vertrag erfolgte durch die Bundesrepublik Deutschland die vertragliche Anerkennung der deutsch-polnischen Oder-Neiße-Grenze und somit der Zugehörigkeit Hinterpommerns mit dem erwähnten Teil Vorpommerns zur heutigen polnischen Dritten Republik.
In ihr tragen drei der sechzehn Woiwodschaften den Begriff „Pommern“ im Namen: Westpommern (korrekt: Hinterpommern) im Nordwesten, Pommern (korrekt: Pommerellen/Westpreußen) im Norden und Kujawien-Pommern (unkorrekt) im nördlichen Zentralpolen.
Kreis Köslin
Stadt Köslin
Die Stadt Köslin - einst Sitz einer der drei pommerschen Bezirksregierungen - liegt an der Hauptverkehrsstrecke von Berlin nach Königsberg zwischen Stettin und Danzig. In östlicher Richtung sind es bis Stolp etwa 70 km, in westlicher Richtung liegt Kolberg 40 km entfernt.
Der weitere Stadtbereich wird begrenzt im Nordwesten durch den Buchwald, im Norden durch den Jamunder See vor der Ostsee, im Osten durch den 137 Meter hoch gelegenen Berg "Gollen" inmitten des 1.000 Hektar großen Mischwaldes und im Süden durch die Wälder vor dem Städtchen Bublitz.
Ein Rundgang, gekürzt entnommen dem "Adreßbuch der Stadt Köslin für das Jahr 1920" aus dem Verlag C. G. Hendeß:
"An Sehenswürdigkeiten ist vor allem die Marienkirche mit ihrem herrlichen gotischen dreischiffigen Bau zu erwähnen, ferner das Denkmal Friedrich Wilhelms I. auf dem Marktplatz, das Kriegerdenkmal auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz u. a. und der neue seinen eigenartigen Lageverhältnissen sehr geschickt angepaßte Bau des Ober-Lyzeums, der sogenannten Fürstin-Bismatck-Schule. Auch die im Sommer so schattigen Promenaden des Großen und des Kleinen Walls sowie der alte Friedhof am Ende der Mühlentorstraße mit seinen alten Baumriesen sind sehenswert.
Vor dem Holzmarkt steht der Rest eines alten Wachgebäudes des Hohen Tors, unweit davon, auf dem Husarenplatz hinter dem Gemeindehaus die Gertraudenkapelle, Köslins ältestes Baudenkmal. An der Wallstraße sind noch Reste der alten Stadtmauer zu sehen. Unter den Linden des Großen Walls befindet sich der erste außerhalb der Stadtmauer gelegene Friedhof Köslins, in der Nähe beim Landgericht auch die durch eine Tafel gekennzeichnete Stätte, auf welcher das alte Kloster und später das Schloß des Herzogs von Pommern gestanden hat. Die Baumbestände auf den Promenaden des Kleinen und des Großen Walls, im Maiengrün des Lenzes oder in der Farbenpracht des Herbstes, geben der Stadt ein herrliches Aussehen. Ein anziehendes Bild bietet sich den Blicken auch von der großen Brücke an der Bergstraße nach den Anlagen mit ihren grünen Rasenflächen, ihren Blumenbeeten und Springbrunnen. Stolze Baumgruppen und im Hintergrunde die wie ein Rebgelände zu schauende Anhöhe beim Schützengarten umrahmen das freundliche Bild. Der Friedrich-Wilhelm-Platz und der Braunsplatz tragen ebenfalls zur Ausschmückung dieses Stadtteils bei.
An bemerkenswerten öffentlichen und anderen Gebäulichkeiten sind zu erwähnen das Regierungsgebäude in der Regierungsstraße, die diesem gegenüber am Kleinen Wall gelegene Synagoge und das Gebäude der Ober-Postdirektion am Friedrich-Wilhelm-Platz. Am Braunsplatz steht das Lehrerseminar, ihm gegenüber das Gymnasium und hinter diesem an der Moritzstraße das Gebäude der Städtischen Knabenschulen. Am Ende der Danziger Straße befinden sich der umfangreiche Bau des Kadettenhauses und die äußerst schmuck aussehenden Baulichkeiten des Kreiskrankenhauses und des Diakonissen-Mutterhauses Salem, an der Rogzower Alle die neue Infanterie-Kaserne.
Das Villenviertel zwischen dem Stadtgebiet und dem Gollen (Bergwald), die Friedrich-Wilhelm-Stadt, ist mustergültig aufgebaut. Neue Siedlungen entstehen gegenwärtig an der Peripherie der Stadt. Die parkartigen Wallpromenaden und die Zierplätze der Stadt ermöglichen vor rauhen Winden geschützte Spaziergänge innerhalb des Stadtgebietes zu jeder Jahreszeit.
Köslin bietet seinen Bewohnern und Besuchern aber nicht nur einen angenehmen Aufenthalt, sondern hat auch heute schon einen großen Ruf als Erholungsstätte. Abgesehen von dem Buchwald hat Köslin in dem stark ansteigenden, kuppenreichen Waldgelände des "Gollen" mit seinem Gollenturm und den anerkannt vorzüglichen Gollenwirtschaften die prächtigste Erholungsstätte. Dazu kommt, daß Köslin mit der nahen Ostsee durch die städtische Straßenbahn Verbindung hat.
Wer Kunstgenuß, geistige Anregung und auch Frohsinn haben will, dem ist dazu reichlich Gelegenheit gegeben. Es seien nur erwähnt die Bibliotheken verschiedenster Art, das Stadttheater, die Konzertagentur Grünthal, der Konzertverein, das städtische Orchester und ein Zivil-Tonkünstler-Orchester, die Vorträge auf allen Gebieten des Geisteslebens, zu welchen Einrichtungen dann noch eine Reihe von Kaffeehäusern, Lichtspiel- und Spezialitäten-Theatern treten, so daß jedem Geschmack Rechnung getragen werden kann.
Den Eltern, die ihren Kindern eine gediegene Ausbildung zuteil werden lassen wollen, bietet kaum eine Stadt so viele Möglichkeiten. Die Verkehrsverhältnisse sind günstig. Mit Danzig und Königsberg nach Osten, mit Stettin und Berlin nach Westen wird die Stadt in normalen Zeiten durch Schnellzugsverkehr verbunden. Neben- und Kleinbahnen erschließen die nächste Umgebung. Direkte Verbindung hat Köslin mit dem Hafenorte Kolberg. Die Straßenbahn zum Strande vermittelt neben Personen- auch Frachtverkehr, so daß für Industrie und Handel Bedingungen vorhanden sind, wie sie zu einer gedeihlichen Entwicklung industrieller Niederlassungen nicht besser gedacht werden können.
Dieselben günstigen Voraussetzungen bietet die Stadt selbst. Nicht weniger als 25000 Morgen Grundbesitz nennt sie ihr eigen. Die Stadt hat einen erheblichen Teil dieses großen Geländes für industrielle Bebauung bereitgestellt.